Das sagen Experten und Politiker

Trotz aller Beteuerungen, keine Ernährungsverbote auszusprechen und keine Rezepturen vorzuschreiben, setzt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sukzessive die Rahmenbedingungen für weniger Vielfalt, weniger Angebot und weniger Auswahl. Was sagen Expert:innen und Politiker:innen zu den geplanten staatlichen Eingriffen?

Geschmäcker sind sehr unterschiedlich und individuell!

Dr. Gero Hocker

Ernährungspolitischer Sprecher der FDP

Unser vielfältiges Lebensmittelangebot steht in der Kritik: Im Rahmen der Ernährungsstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) werden Rezepturvorgaben für Lebensmittel diskutiert. Ursprüngliches Ziel war es, den Energiegehalt zu reduzieren und Lebensmittel zu reformulieren. Heute steht jedoch der süße Geschmack im Fokus der Reduktionsstrategie. Eine generelle Reduzierung von Süße wird gefordert.

Nicht nur in der Politik wächst der Widerstand gegen die geplante Bevormundung von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Dr. Gero Hocker, ernährungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, erklärt im Video, warum es nicht Aufgabe des Gesetzgebers ist, den Geschmack der Menschen in eine bestimmte Richtung zu lenken.

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Geschmäcker sind sehr unterschiedlich und individuell

Dr. Angela Kohl

Geschäftsführerin des Milchindustrie-Verbandes

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft plant ein Verbot für an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung. Was sind Ihre Hauptkritikpunkte am vorliegenden Gesetzesentwurf?

Dr. Angela Kohl: Die geplanten Werbeverbote richten sich keineswegs nur an Kinder, sondern gehen weit darüber hinaus. In der Praxis würde dies z.B. für Milchprodukte bedeuten, dass selbst ein ungesüßter Naturjoghurt mit einem Fettgehalt von 3,5 % und zahlreiche Käse umfassend von Werbung ausgeschlossen wären. Ein solches Werbeverbot für Milchprodukte, die natürlicherweise reich an hochwertigen Proteinen und Calcium sind, ist insbesondere für die Ernährung von Kindern nicht nachvollziehbar und setzt aus unserer Sicht ein völlig falsches Signal.

Ist das Lebensmittelangebot in Deutschland tatsächlich zu vielfältig, zu süß, zu fettig, zu salzig – also zu ungesund?

Dr. Angela Kohl: Das Lebensmittelangebot ist in Deutschland breit gefächert. Jeder Konsument hat so die Möglichkeit, sich ausgewogen nach seinen individuellen Bedürfnissen zu ernähren. Auch im Milchsektor ist eine breite Vielfalt von Produkten vorhanden (sämtliche Fettstufen, Produkte mit/ohne Frucht/Zucker etc,). Parallel dazu sind gesetzliche Standards einzuhalten (so sind z.B.) Trockenmasse oder Fettgehalt für Milch und Milchprodukte als Qualitätsmerkmal vorgeschrieben.

Das Ernährungsministerium ruft einerseits dazu auf zuckerhaltige Lebensmittel zu reformulieren, andererseits sollen kalorienfreie Süßstoffe nicht für die Reformulierung genutzt werden dürfen, weil das Ministerium das Ziel ausgerufen hat, den süßen Geschmack als solches zu reduzieren.
Wie bewerten Sie diesen geplanten staatlichen Eingriff mit Blick auf die unterschiedlichen Geschmacksvorlieben der Verbraucherinnen und Verbraucher?

Dr. Angela Kohl: Geschmäcker sind sehr unterschiedlich und individuell. Am Ende des Tages entscheidet der Konsument an der Ladentheke, ob er ein Produkt kauft oder nicht. Es kann nicht die Aufgabe des Staates sein festzulegen, was den Verbrauchern schmeckt und was nicht.

Welche Strategien sind aus Ihrer Sicht im Kampf gegen Übergewicht erfolgversprechend – auch mit Blick auf die Ernährungsstrategie, die aktuell ausgearbeitet wird?

Dr. Angela Kohl: Die Entwicklung von Übergewicht ist äußerst komplex und die eine, vermeintlich einfache Lösung gibt es nicht. Entscheidend ist, dass die Konsumenten überhaupt in die Lage versetzt werden, sich ausgewogen zu ernähren und gesund zu leben. Daher muss zukünftig viel stärker auf entsprechende Bildungs- und Bewegungsangebote fokussiert werden.

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Symbolpolitische Forderungen machen weder nachhaltig schlanker noch gesünder

Martin Delius

Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke e.V.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft plant ein Verbot für an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung. Was sind Ihre Hauptkritikpunkte am vorliegenden Gesetzesentwurf?

Martin Delius: Am schwersten wiegt wohl, dass der Gesetzentwurf weit über das Ziel hinausschießt und nicht das regelt, was die Politik vorgibt, regeln zu wollen. Statt das grundsätzlich zu unterstützende Ziel des Koalitionsvertrags zu verfolgen, an Kinder gerichtete Werbung bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige zu regulieren, hätte der Entwurf bei Inkrafttreten ein umfassendes Verbot von Werbung für ganze Produktgruppen und einen Großteil aller Produkte am Markt zur Folge. Ein solches umfassendes Werbeverbot auch für unsere Kategorie ist unverhältnismäßig und sachlich nicht zu rechtfertigen.

Ist das Lebensmittelangebot in Deutschland tatsächlich zu vielfältig, zu süß, zu fettig, zu salzig – also zu ungesund?

Martin Delius: Das Lebensmittelangebot in Deutschland ist vor allem enorm vielfältig und spiegelt die Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher. Auch und gerade die Kategorie Erfrischungsgetränke steht dabei in besonderer Weise für Vielfalt und Innovation. Bei ihr ist und bleibt das Angebot im Handel bzw. im Regal nicht zuletzt durch viele neue Produkte innovativ und spannend. Hierbei spielen insbesondere zahlreiche kalorienreduzierte bzw. kalorienfreie Angebote eine immer größere Rolle. Ein Verbot von Werbung für die gesamte Kategorie hätte zur Folge, dass gerade diese Innovationen die Verbraucher nicht mehr erreichen.

Das Ernährungsministerium ruft einerseits dazu auf zuckerhaltige Lebensmittel zu reformulieren, andererseits sollen kalorienfreie Süßstoffe nicht für die Reformulierung genutzt werden dürfen, weil das Ministerium das Ziel ausgerufen hat, den süßen Geschmack als solches zu reduzieren.
Wie bewerten Sie diesen geplanten staatlichen Eingriff mit Blick auf die unterschiedlichen Geschmacksvorlieben der Verbraucherinnen und Verbraucher?

Martin Delius: Süßer Geschmack ist mit Blick auf die Evolution ein klassischer Indikator für die Verträglichkeit von Nahrung und viele Menschen verbinden Süße mit Genuss. Süßer Geschmack ist zugleich ein Merkmal vieler Erfrischungsgetränke. Die Verwendung von Süßstoffen – als kalorienfreie Alternative zu Zucker – bietet die Möglichkeit, die angestrebte Kalorienreduktion bei Erfrischungsgetränken zu erreichen und dennoch geschmacklich abwechslungsreich zu trinken. Damit sind sie eine Alternative im vielfältigen und genussorientierten Getränkesortiment – und sollten auch weiterhin als solche beworben werden dürfen.

Welche Strategien sind aus Ihrer Sicht im Kampf gegen Übergewicht erfolgversprechend – auch mit Blick auf die Ernährungsstrategie, die aktuell ausgearbeitet wird?

Martin Delius: Übergewicht ist in der Regel ein komplexes Phänomen mit multikausalen Ursachen, für dessen Bekämpfung es dementsprechend keine simple Lösung gibt. Symbolpolitische Forderungen oder Maßnahmen machen weder nachhaltig schlanker noch gesünder und lenken von den notwendigen ganzheitlichen Lösungsansätzen ab, die die Faktoren Ernährung, Bewegung und Lebensstil einbeziehen.

Politisches Frühstück – Interview Katja Heintschel von Heinegg

Katja Heintschel von Heinegg

Geschäftsführerin des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft ZAW

Die Kritik am Entwurf des Lebensmittel-Werbegesetzes ist sehr umfangreich. Sie bezieht sich unter anderem auf die breite Auslegung von Werbung und auf Lebensmittel die von dem Werbeverbot betroffen wären. Können Sie das einmal ausführen?

Antwort:

Wir sehen in dem Gesetzentwurf ein wirklich brachiales Werbeverbot, dass nicht nur an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung betrifft, sondern von dem etwa 70 Prozent der Lebensmittel, die in Deutschland gerade auf dem Markt sind betroffen wären.

Was ist die konkrete Kritik am Nährwert-Profil und den Grenzwerten im Gesetzentwurf, die festlegen, welche Lebensmittel nicht mehr beworben werden dürfen?

Antwort:

Wir halten es grundsätzlich für falsch, Lebensmittel in gut und böse einzuteilen, denn es gibt keine „guten“ und „schlechten“ Lebensmittel. Es gibt aber unausgewogene und ausgewogene Ernährung. Da hat jedes Lebensmittel seinen Platz. Die Grundlage des Gesetzentwurfs, das Nährstoffprofil der Weltgesundheitsorganiation WHO führt dazu, dass eben 70 Prozent der am Markt befindlichen Lebensmittel nicht mehr beworben werden dürfen.

Ist die Bezeichnung Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz vor diesem Hintergrund nicht irreführend? Umfasst der Gesetzentwurf nicht viel mehr?

Antwort:

Die Bezeichnung Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz ist absolut irreführend. Es geht nämlich nicht nur um an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung, sondern vielmehr auch um Lebensmittelwerbung, die sich an Erwachsene richtet. Zum Beispiel die TV-Werbung. Die würde im letzten Entwurf den wir kennen, den Bereich von 17 bis 22 Uhr betreffen. Das ist die Primetime und es gibt Zahlen die zeigen, dass da gerade mal 2-3 Prozent unter 14-jährige vor dem Fernseher sind. Und das heißt ja, Ziel sind 97 oder 98 Prozent Erwachsene bzw. ältere Jugendliche.

Was sind Ihre Erwartungen und Forderungen an die Politik?

Antwort:

Wir sind der Überzeugung, dass das Gesetz von Grund auf neu konzipiert werden muss, wenn man den Koalitionsvertrag umsetzen und die Lebensmittelwerbung für Kinder beschränken möchte. Dazu gibt es Ansätze aber das Gesetz muss dafür komplett neu konzipiert werden.

Die Menschen sollten entscheiden, was ihnen schmeckt

Christoph Minhoff

Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverband Deutschland e.V.

„Es ist nicht die Aufgabe des Staates, Geschmackspräferenzen für seine Bürger festzulegen. Die Menschen sollten entscheiden, was ihnen schmeckt und was ihnen nicht schmeckt.“

In einem Video-Statement zum Start unserer Kampagne „Geschmäcker sind verschieden“ kommentiert Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbandes Deutschland e.V., außerdem den aktuellen Gesetzentwurf für ein Verbot von an Kinder gerichteter Lebensmittelwerbung und stellt klar, dass die Lebensmittelvielfalt in Deutschland eine wichtige Voraussetzung für eine ausgewogene und bezahlbare Ernährung darstellt.

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Geschmacksvorlieben lassen sich nicht aberziehen

Christina Stumpp

Bundestagsabgeordnete der CDU

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft plant ein Verbot für an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung. Was sind Ihre Hauptkritikpunkte am vorliegenden Gesetzesentwurf?

Christina Stumpp: „Der Gesetzentwurf schießt weit am Ziel vorbei. Ich halte ihn für unverhältnismäßig und verfassungswidrig. Es ist völlig unverständlich, dass jetzt auch beispielsweise Butter, Goudakäse oder Fruchtjoghurt unter das Werbeverbot fallen sollen. Das sind weder an Kinder gerichtete Produkte noch Suchtmittel. Auch das geplante Verbot von Sportsponsoring ist kontraproduktiv, wenn wir mehr Bewegung wollen. Vereine mit Kinder- und Jugendmannschaften sind darauf angewiesen. Insgesamt zeigt das Vorhaben des BMEL, auf welchem ernährungspolitischen Irrweg sich die Ampel befindet. Hier werden rein ideologische Ziele verfolgt und den Bürgerinnen und Bürgern die Kompetenz abgesprochen, selbst zu bewerten und zu entscheiden. Weniger Bevormundung und mehr Eigenverantwortung würden unserem Land hier besser stehen.“

Ist das Lebensmittelangebot in Deutschland tatsächlich zu vielfältig, zu süß, zu fettig, zu salzig – also zu ungesund?

Christina Stumpp: „Wir haben ein Angebot von etwa 170.000 Lebensmitteln in Deutschland. Aus dieser großen Vielfalt an Sorten und Marken kann sich jeder und jede Produkte nach individuellen Wünschen aussuchen. Ich sehe keine Not, diese Auswahl einzuschränken, denn sie gewährt alle Möglichkeiten für eine abwechslungsreiche und gesunde Ernährung.“

Das Ernährungsministerium ruft einerseits dazu auf zuckerhaltige Lebensmittel zu reformulieren, andererseits sollen kalorienfreie Süßstoffe nicht für die Reformulierung genutzt werden dürfen, weil das Ministerium das Ziel ausgerufen hat, den süßen Geschmack als solches zu reduzieren.

Christina Stumpp: „Auch im Rahmen der Nationalen Reduktionsstrategie ist das Vorgehen nicht konsistent. Wer Unternehmen neue Rezepturen mit weniger Süßgeschmack nahelegt, aber zugleich Süßstoffe von der Bewerbung ausschließt, will Geschmacksdiktat statt Genuss. Das lehnen wir in der Union entschieden ab.“

Wie bewerten Sie diesen geplanten staatlichen Eingriff mit Blick auf die unterschiedlichen Geschmacksvorlieben der Verbraucherinnen und Verbraucher?

Christina Stumpp: „Dahinter steckt die Absicht, das Lebensmittelangebot zu steuern und somit nichts anderes als eine staatliche Bevormundung mündiger Verbraucher. Das mag vielleicht einer kleinen grünen Klientel gefallen. Bei der Mehrheit wird sich der Bundesminister jedoch die Zähne ausbeißen, denn Geschmacksvorlieben lassen sich nicht aberziehen. Unser Süßgeschmack ist genetisch geprägt.“

Welche Strategien sind aus Ihrer Sicht im Kampf gegen Übergewicht erfolgversprechend – auch mit Blick auf die Ernährungsstrategie, die aktuell ausgearbeitet wird?

Christina Stumpp: „Die Haupthebel sind Ernährungsbildung und Bewegung. Übergewicht kann man nur bekämpfen, wenn man weniger isst als man verbraucht. Entscheidend ist also die Kalorienbilanz, nicht das Verteufeln einzelner Lebensmittel. Wenn Kinder von klein auf lernen, sich ausgewogen und gesund zu ernähren, wenn sie motiviert werden, sich ausreichend zu bewegen, dann sind auch gelegentliche Süßigkeiten kein Problem. Das elterliche Vorbild spielt hierbei eine große Rolle.“

Politisches Frühstück – Interview Dr. Markus Belz

Dr. Markus Belz

General Manager virmita GmbH und Konditormeister

Unser Lebensmittelangebot soll weniger Zucker, Fett und Salz enthalten. Die Politik fordert Rezepturveränderungen, sogenannte Reformulierungen. Ist das überhaupt so einfach umzusetzen, wie sich die Politik das vorstellt?

Antwort:

Das ist aufwändig und je nach Produkt völlig verschieden. Es ist auf jeden Fall ein Kosten- und Arbeitsaufwand, weil Reformulierung ja bedeutet, dass ich am Ende in Aussehen, Konsistenz und Geschmack ein völlig gleichwertiges Produkt haben möchte, nur halt mit deutlich weniger Zucker, Salz oder Fett.

Welche Rolle spielen Süßstoffe bei Reformulierungsprozessen?

Antwort:

Die sind essenziell, wenn es um die Zuckerreduktion geht. Erste Wahl sind da einfach die Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe.

Im Gesetzentwurf zum Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz werden Süßstoffe verboten und mit Süßstoff gesüßte Lebensmittel dürfen nicht länger beworben werden. Welche Auswirkungen befürchten Sie?

Antwort:

Dass das Ziel der Zuckerreduktion in verschiedenen Lebensmitteln nur schleppend bis gar nicht umgesetzt wird, weil Süßstoff als Zuckeralternative eben nicht zur Verfügung steht.

Was sind Ihre Erwartungen und Forderungen an die Politik?

Antwort:

Wir wünschen uns, dass die Politik im Austausch mit der Lebensmittelindustrie unter Berücksichtigung der Praxis und der Verbrauchererwartungen ein Gesetz auf den Weg bringt, das sinnvoll umsetzbar ist.

Politisches Frühstück – Interview Marco Diefenbach

Marco Diefenbach

Senior Projektleiter rheingold GmbH & Co. KG

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Ergebnisse aus der „That’s light“-Studie des Süßstoffverbands?

Antwort:

Also ein sehr wichtiges Ergebnis ist zunächst einmal, dass Süßstoffe als Zuckerersatz im Alltag der Bevölkerung breit verankert sind. Zweidrittel verwenden solche Produkte wöchentlich; 50 Prozent sogar täglich. Wir haben es also nicht mit einem Randphänomen zu tun, sondern mit etwas, das im Leben der Menschen verankert ist.

Wie erklären Sie sich den Trend zu Süßstoffen?

Antwort:

Wenn man den Umfrageergebnissen folgt, hat der Trend sicher damit zu tun, dass man durch Süßstoffe den immer noch positiv bewerteten süßen Geschmack ohne die negativen Begleiterscheinungen wie Gewichtszunahme und Karies erleben kann. Denn dafür haben die Menschen durchaus ein Bewusstsein.

Es gibt aber immer wieder auch negative Stimmen zu Süßstoffen. Wie ist diese Skepsis zu erklären?

Im ganzen Thema Süßstoffe steckt viel Psychologie, weil es beim Süßen immer auch darum geht, wie ich maßvoll damit umgehe. Süßes ist ja immer auch verführerisch und kann träge machen. Das sind alte kulturelle Bilder die wir haben. Und beim Süßstoff haben wir ja das Versprechen, ich kann das schöne Süße genießen und „sündigen“ aber ohne Nachteile. Im Alltag der Menschen herrscht aber die Erfahrung vor, dass „sündigen“ immer auch Nachteile hat. Und beim Süßstoff gibt es Menschen, die denken, dass das zu schön um wahr zu sein ist. Dass das vielleicht ein Trick ist. Und deswegen gibt es dann Bedenken, um wieder maßvoll zu werden, auch wenn die Studienlage das gar nicht so hergibt.

Wie kann die Politik die Rahmenbedingungen für ein ausgewogenes Lebensmittelangebot und letztlich eine gesündere Ernährung schaffen?

Antwort:

An dieser Stelle muss man physiologisches und psychologisches differenzieren. Es gibt natürlich Stoffe wie Nikotin, Alkohol aber auch das Süße, die eine gewisse Reaktion im Körper auslösen – möglicherweise auch das Gefühl, dass man mehr davon braucht. Es gibt also eine Art psychologisches Suchtpotential. Wenn man aber Sucht als etwas definiert, dass man ohne Maß macht, dann ist es eine psychologische Komponente. Die Suchtstruktur ist aber bei jedem Menschen anders und rührt nicht aus dem Stoff an sich her. Beispiel Gummibärchen: Da möchten Viele immer wieder in die Tüte greifen, bis sie leer ist. Und bei Kindern ist das Maßlose noch mehr drin. Deswegen billigen wir ihnen ja auch noch nicht die Entscheidung zu, wie viel es jetzt davon isst bzw. essen darf. Aber der Lernprozess ist wichtig. Wann ich Zurückhaltung üben muss und wann ich auch mal ein Gummibärchen brauche. Der Aspekt Erziehung und Bildung ist sehr wichtig, um zu einer ausgewogenen Ernährung zu kommen.